N E W S L E T T E R

Hans Castro León
Places Where the Heart Could Live

Die Bilder von Hans Castro Léon sind der Beginn einer Reise durch die Unsicherheit und die ständige Angst, die ihm bestimmte Orte machen. Der Fotograf arbeitet mit Chiaroscuro, einer Technik, die eigentlich aus der barocken Malerei stammt und sich durch starke Hell-dunkel-Kontraste auszeichnet, ebenso impulsiv wie kontrolliert. Die Aufnahmen führen durch Castros persönliche Wahrnehmung und zeigen eine unwirkliche Welt, in der Gewalt überall spürbar ist. In kleinen Serien angeordnet verwandeln sich gewöhnliche Geschichten in existenzielle Erfahrungen.

  • Alltag
  • Chile
  • Gewalt
  • Identität
  • Personal Story
3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Ich fühle mich immer noch nicht ganz und gar als Bildjournalist, ich habe momentan das Gefühl, mich hinsichtlich der Fotografie immer noch im Stadium des Lernens und Experimentierens zu befinden. Meine Erfahrungen und die Fotografie haben mich an Orte geführt, von denen ich niemals geglaubt hatte, dass ich sie besuchen würde. Ich erinnere mich an meine erste Erfahrung, meine Familie oder Sportsfreunde auf Fahrrädern zu fotografieren, und daran, wie ich durch die Straßen ging, auf der Suche nach interessanten Dingen, die ich fotografieren könnte. Der wichtigste Schritt jedoch, nämlich die Fotografie ernst zu nehmen, war eine persönliche dokumentarische Arbeit über meine Großmutter, die seit mehr als 20 Jahren allein lebte. Die Idee war immer, von ihren Lebensumständen und ihrer Einsamkeit zu erzählen. Ich habe nie direkte Porträts von ihr gemacht, sie war eine schwer greifbare Person. Aber ich habe es nicht als Vorwand betrachtet, das Projekt nicht zu realisieren Fotografie besitzt diese grenzenlose Vielseitigkeit, wenn man sich auf eine Idee konzentriert. Ich hatte die Möglichkeit, Räume ihres Hauses und Spuren ihres täglichen Lebens zu fotografieren, um daraus eine bewegende Geschichte zu machen.

2. Der entscheidende Moment: Wann bist du das erste Mal auf dein Thema gestoßen und warum wolltest du es mithilfe der Fotografie behandeln?

Ich finde es schwierig zu sagen, wann genau diese Reise begann. Ich glaube, die Hauptursache war mein unsteter Alltag. Das Herumwandern und die Spaziergänge mit der Kamera, um meine Umgebung zu fotografieren. Das Jahr, in dem ich am meisten fotografiert habe, war für mich eine schwierige Zeit. Einerseits musste ich jeden Tag drei Stunden zur Universität fahren, andererseits kümmerte ich mich um meine Großmutter, die Krebs im Endstadium hatte. Das alles hat mich dafür sensibilisiert, neue Wege zu suchen, Menschen mithilfe der Fotografie zu beobachten. Ich möchte bei diesem Projekt nicht visuell wörtlich genommen werden, sondern eine Atmosphäre schaffen. Diese abgekapselten Orte sind eher symbolisch als bedeutsam. Ich habe nie versucht, Bilder zu erzwingen, die uns unsere eigene Erfahrung vorenthalten. Meine Bilder geben meinem  Leben einen neuen Sinn.

3. Die Zukunft: Wie könnte der Bildjournalismus der Zukunft aussehen?

Fotojournalismus steht in direkter Verbindung zu politischen, kulturellen und sozialen Fragen. Ich glaube, dass Bildjournalismus von den Autor*innen ständig ästhetische und narrative Veränderungen verlangt. Meiner Meinung nach fühlen sich Fotograf*innen zunehmend langfristigen Projekten verpflichtet und dazu, neue Strategien für die Konstruktion konzeptueller Bilder zu entwickeln.

»Heart is the key word of everything.«

Hans Castro León
Interview
Your photography depicts scenes from your very personal life to public life with themes like violence and drugs. How do your family and friends react to your pictures? Are they involved in the process?

When I started photographing this project, on many occasions I met with family and friends and they asked me, why do you keep photographing that? I must admit that I did not convince them – they found the pictures quite simple. I think it must be due to a lack of visual culture in photography. I understand that they must be used to observing these landscapes in their daily lives, but even so they are still moved by looking at the images. Most of them feel a direct relation with violence. I have photographed people who somehow have a very deep meaning for me, they are not simply people, they have something to tell you.

In your answers to the questions above, you mentioned the resignification of your life. Can you elaborate on that?

By the resignification of my life I mean finding a different way to tell my daily life through a visual narrative. I believe that when you commit to a photographic project, you go on a path of teachings and wisdom in the creative process by discovering places, people and experiences. While few dare to expose themselves, personally these developments have been significant for me – I’ve left a part of me in every project. From this thought the title of the work “Places where the heart could live” is born. Heart is the key word of everything. I don’t mean an organic heart, but rather the poetic symbol of the heart in our humanity. Most of the images are characterized by violence, but there is a reflection of humanity in them.

In your work, you photograph your direct surroundings. Could you imagine working on something which is not that close to you? Maybe even in another country?

In any case, I would like to work on projects outside my locality. I think one of my dreams is to travel throughout Latin America in search of constant problems in Latin identity and culture. Most of the time I am a person who is openly committed to new experiences. I do not think I would have difficulties when being away from home, despite not having many possibilities of traveling frequently in my life. Not being of high economic resources, it is usually somewhat costly. But well, there are always opportunities if we make an effort. (Interview: Jan Kräutle)

Beitrag zusammengestellt von Jan Kräutle

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*1997 in Santiago de Chile
Hans Castro León studiert Fotografie am Instituto Arcos in Santiago de Chile, der Stadt, in der er aufwuchs und die er nie verlassen hat. Angeregt von seiner alleinerziehenden Mutter begann er sein künstlerisches Schaffen mit Zeichnung und Malerei. Danach kam er über das Experimentieren mit weiteren visuellen Ausdrucksmöglichkeiten zur Fotografie.

@hanss.cl

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