N E W S L E T T E R

Hayley Austin
The Springs

Im Alter von acht Jahren verbrachte die Fotografin Hayley Austin den Sommer im klimatisierten Kleinod ihrer Großeltern in Las Vegas – in einer Wohngegend, in der die Straßen nach italienischen Dörfern benannt sind. Die Stadt, die einst von unterirdischen Quellen gespeist und nach grünen Wiesen benannt wurde, ist heute eine aus Wüstensand zementierte Traumstadt. Ein Symbol für schnellen Ruhm. Viele Menschen kommen in die Wüstenmetropole und hoffen, es durch harte Arbeit zu einem guten Job und Wohneigentum zu bringen oder wenigstens eine Pause vom Alltag machen zu können. Doch Armut und Obdachlosigkeit nehmen zu in Las Vegas. In keiner anderen amerikanischen Stadt gibt es eine größere Kluft in der Lebenserwartung zwischen Arm und Reich. Hayley Austin zeichnet das Bild einer Gesellschaft von überschwänglichen Optimist*innen und sonnengegerbten, müden Menschen, die bekennen, dass der amerikanische Traum so ausgetrocknet ist wie die Quellen, die einst Las Vegas grün machten.

  • Isolation
  • Künstlichkeit
  • Optimierung
  • Schönheit
  • Spiel
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Die Fotografin Hayley Austin spricht über ihr Projekt und gibt Einblicke in ihr bald erscheinendes Fotobuch.

»Es tut mir sehr leid, davon sprechen zu müssen, sagte mein Anwalt, als wir uns an der Karussell-Bar auf der zweiten Galerie niederließen, aber der Laden hier geht mir an die Nieren. Ich glaub, ich komm auf einen Horror.

Unsinn, sagte ich. Wir sind hierhergekommen, um den Amerikanischen Traum zu finden, und jetzt, wo wir gerade in seinen Sog geraten, da willst du das Handtuch werfen. Ich packte seinen Bizeps und drückte zu. Dir muß bewußt werden, sagte ich, daß wir den Hauptnerv gefunden haben.

Ich weiß, sagte er, deswegen krieg ich ja den Horror.«

Hunter S. Thompson, Fear and Loathing in Las Vegas
3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalistin beschreiben?

Als ich dieses Projekt begonnen habe, wollte ich kein aktuelles Nachrichtenthema bearbeiten. Es ist, wie wenn man einen Roman schreibt und das Thema kennt, aber noch keine Vorstellung von den handelnden Personen oder dem Plot hat. In Las Vegas erkannte ich, dass ich dieses unbequeme Gefühl des Nicht-Wissens aushalten und einfach weiterarbeiten muss, bis ich es herausgefunden habe. Manchmal erkennt man Dinge auf einer unterbewussten Ebene. Wenn man seinem Instinkt vertraut und einfach weiterfotografiert, werden diese Ideen aus dem Unterbewusstsein hervortreten.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Als ich klein war, habe ich einen Sommer in Las Vegas verbracht. Damals war ich perplex und fasziniert von diesem Ort. Er erschien mir so absurd in dieser Wüste mitten im Nirgendwo. Er hat sich in mein Gedächtnis eingeprägt, unbewältigt. Mitten in der Finanzkrise machte ich 2008 meinen Abschluss und zog nach Europa. In den folgenden zehn Jahren habe ich mein Heimatland nur aus der Ferne beobachtet. Es schien, als ob ein tief greifender Wandel stattfand. Barack Obama wurde wegen seines optimistischen Slogans „Yes, we can“ gewählt, der sich die Hoffnungen und Träume der Amerikaner*innen zunutze machte. Acht Jahre später gründete die Präsidentschaft jedoch auf einem Slogan, der unsere Angst ausnutzte. Während seines Wahlkampfs unter dem Motto „Make America great again“ erklärte Trump, dass der amerikanische Traum tot sei, und seine Wahl bewies zumindest für einen Teil der Bevölkerung, dass er damit einen Nerv getroffen hatte. Ich dachte wieder an Las Vegas. Es war aus der Idee des „Get-rich-fast“-Kapitalismus entstanden. Dieser unwahrscheinliche Ort, eine Erinnerung an den Optimismus oder die reine Willenskraft der Menschen, die eine Illusion in eine Traumstadt verwandelt haben, war perfekt für eine Nahaufnahme des derzeitigen Zustands des amerikanischen Traums.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Das ist eine schwierige Frage, weil sich der Boden unter unseren Füßen verschiebt. Magazine, die sich einem ernsthaften Bildjournalismus verschrieben haben, leiden unter sinkenden Leser*innenzahlen und schwindenden Anzeigen. Die gute Nachricht ist, dass die Menschen ein unstillbares Verlangen nach guten Geschichten haben. Wahrscheinlich werden im Bildjournalismus die Bedeutung und die Verbreitung der Virtual Reality zunehmen, denn VR bietet vielfältige journalistische Möglichkeiten. Sie zeigt nicht nur die Geschichte, sondern platziert die Betrachter*innen mittendrin.

Found in Research

Das Buch “The Springs” kann in diesem Online Shop bestellt werden.

 

Beitrag zusammengestellt von Moritz Lehmann

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1984 in Fort Worth, USA
Hayley Austin beendete 2015 ihr Studium mit dem Master in Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld und lebt seitdem als freie Fotografin und Bildredakteurin in Hamburg. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Porträtfotografie und die Beziehungen von Menschen zu ihrer Umwelt. Ihre Fotografien wurden in den USA und Europa ausgestellt.

www.hayleyaustin.com
@hayley.austin.photo

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