N E W S L E T T E R

Felix Adler
Komputerismus

Würde die Sowjetunion noch existieren, sie sähe vermutlich aus wie das heutige Weißrussland. Vor dem Parlament steht überlebensgroß eine Statue von Lenin in Rednerpose. Im Land herrscht Planwirtschaft, der Geheimdienst heißt KGB und die Todesstrafe wird weiterhin vollstreckt. Freie Wahlen kennt man im Land nicht. Seit 25 Jahren wird die letzte Diktatur Europas von Alexander Lukaschenko, ehemaliger KPdSU-Funktionär und Direktor eines Kolchos, regiert. Geopolitisch befindet sich Weißrussland am Scheideweg: Der große Bruder Russland dringt auf eine Union und droht, die großzügigen Rabatte auf Öl zu streichen. Aber auch China investiert im großen Stil. Die Volksrepublik baut nahe Minsk einen riesigen Industriepark. Weißrussland soll Endpunkt der Neuen Seidenstraße und Chinas Tor zu Europa werden – ohne die komplizierten Gesetze der EU. Parallel dazu hat sich Weißrussland in den letzten Jahren immer mehr zum Big Player in der IT-Branche entwickelt. Apps und Softwarelösungen aus der Diktatur sind im Westen begehrt.

  • Arbeit
  • Digitalisierung
  • Repression
  • Zukunft
3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Puh, das ist schwierig zu sagen. Ich habe Geschichte studiert und bin in die Fotografie eigentlich nur zufällig reingerutscht bzw. ich wollte nicht als Historiker arbeiten und habe mich dann noch mal für ein Fotografiestudium beworben. Vielleicht war der entscheidende Punkt, als ich 2013 für eine Studienarbeit zwei Monate im Kosovo war. Dort habe ich einen portugiesischen Journalisten kennengelernt. Er hat mich gefragt, ob ich Fotos für eine Geschichte von ihm machen würde. Ich habe die Bilder dann an die dpa verkauft und dachte, wow, das ist ein cooler Job, du fährst irgendwohin, machst Fotos und bekommst Geld dafür, fast wie Urlaub. Na gut, am Ende ist es natürlich nicht ganz so.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Ich kannte Weißrussland nur vom Namen und wusste, dass es in der Presse immer wieder als letzte Diktatur Europas bezeichnet wird. Ich wollte schon immer mal das Land bereisen und als ich dann auf ein kleines Recherchestipendium für Osteuropa aufmerksam wurde, habe ich die Chance ergriffen und mich mit dem Thema der wachsenden IT-Szene im Land beworben.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Ich bin kein Orakel, aber ich glaube, dass experimentelle Ansätze im Bildjournalismus weiter zunehmen werden. Aber sicher wird das klassisch Dokumentarische wichtig bleiben.

Die Arbeit des Fotografen Felix Adler ist in Kooperation mit dem Journalisten Stefan Schocher entstanden. Die Fotos werden durch eine geschriebene Reportage ergänzt, die der Autor Stefan Schocher zum Anhören für uns eingesprochen hat.

Beitrag zusammengestellt von Jan Nasemann

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1984 in Jena, Deutschland
Felix Adler studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Politik sowie Fotografie an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. In dokumentarischen Projekten beschäftigt er sich insbesondere mit Erinnerung und Identität. Seine Fotografien wurden unter anderem in Focus, Monopol, Süddeutsche Zeitung, Vice und DIE WELT veröffentlicht. Er lebt als selbstständiger Fotojournalist in Leipzig.

www.felixadler.org
@zum.adler

Weitere Fotoserien