N E W S L E T T E R

Martina Cirese
The Dark Side of Sport

Eine Geschichte von zerbrochenen Träumen und jungen traumatisierten Sportler*innen: Martina Cirese fotografiert Opfer sexueller Gewalt und ihre Familien in Frankreich. Eine 21-jährige Schwimmerin, zwei Triathletinnen, zehn und 15 Jahre alt, und ein ehemaliger Tischtennisspieler in den Vierzigern erzählen ihre grauenvollen Geschichten, die Martina Cirese in einfühlsamen Porträts festhält. Die Fotografin besucht ihre Protagonist*innen zu Hause, begleitet sie zu den Trainings und zu den Orten, an denen sie sexuell missbraucht wurden. Sie verbirgt die Gesichter, um Identitäten zu schützen, schafft es aber trotzdem, ihre Widerstandskraft zu zeigen. Viele der Täter trainieren weiter Kinder – in den Sportarten Fussball, Gymnastik, Leichtathletik, Bogenschießen, Rollschuhlaufen oder Schach. Jeder Zweite ist bereits früher wegen sexueller Straftaten verurteilt worden. Das alles enthüllt schwerwiegende Mängel in den Vereinen, örtlichen und nationalen Behörden und im Justizsystem – die Opfer suchen Gerechtigkeit, kämpfen darum, gehört zu werden.

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  • Missbrauch
  • Sport
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Interview mit Martina Cirese.

3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalistin beschreiben?

2014 erhielt ich ein einjähriges Stipendium bei FABRICA – The Benetton Communication Research Center (Treviso, Italien). Mein erster Auftrag war die UNHATE-Kampagne, die sich auf die LGBTQ-Rechte in Russland konzentrierte. Das Konzept bestand darin, eine fiktive Gay-Pride-Parade in Moskau zu inszenieren und sie während der Olympischen Spiele in Sotschi online zu teilen. Ich hatte noch nie zuvor in einem Studio gearbeitet, daher fürchtete ich, für diesen Job nicht die richtige Fotografin zu sein. Dann entschloss ich mich, meinen Hintergrund als Storytellerin als Leitfaden für das Shooting zu nutzen. Das Team war zufrieden und überrascht von dem Ergebnis. In dem Moment lernte ich, meiner Vision zu vertrauen.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Im November 2011 war ich in Paris und traf Asankojo. Ich folgte ihm wie einer Spur, einem Hinweis, einer Andeutung. Während wir uns quer durch Europa und Asien jagten, wurde ich in zwei miteinander verflochtene, sich überlappende Welten geführt: eine schillernde Stadt, die sich selbst enthüllte und versteckte, und Asan, porträtiert eher als Ganzheit denn als Person, ein Mentor, ein spiritueller Guide. Während unserer engen Beziehung habe ich erkannt, dass ich eine persönliche und eine universelle Geschichte gleichzeitig erzählen kann, indem ich die psychologischen Effekte der heutigen sozialen und technologischen Entwicklung suche. Warum Fotografie? Die Kamera war leicht genug, sie durch die Welt zu tragen!

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Schamlos, unabhängig und engagiert. So habe ich es erlebt während meiner Zusammenarbeit mit der französischen NGO Disclose: Die Recherchen konnten über einen längeren Zeitraum von hoch qualifizierten Expert*innen verschiedener Disziplinen durchgeführt werden, finanziert von privaten Spender*innen. Stellen Sie sich eine internationale Fabrik von Multimedia-Erzähler*innen vor: Bildkünstler*innen, Schreiber*innen, Journalist*innen, Musiker*innen, aber auch Forscher*innen, Soziolog*innen, Philosoph*innen, Psycholog*innen! Das könnte unsere Zukunft sein: ständig das Medium Fotografie herausfordern, es verunreinigen, die Grenzen des dokumentarischen Ansatzes überschreiten.

Found in Research

DISCLOSE NGO

 

Beitrag zusammengestellt von Nicole Heinsohn

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1988 in Rom, Italien
Martina Cirese studierte Fotografie am ISFCI in Rom sowie Geschichte an der Pariser Sorbonne, wo sie über totalitäre Regime forschte. Seit 2012 arbeitet sie als freie Fotografin unter anderem für Frauen- und LGBT-Kampagnen der Unhate Foundation von United Colors of Benetton. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in GEO, The Guardian, National Geographic und Time veröffentlicht.

www.martinacirese.it
@martinacirese

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