Nanna Heitmann | Lumix Festival für jungen Bildjournalismus

Nanna Heitmann
Hiding from Baba Yaga

Eine kleine Fähre ist die einzige Verbindung zum Dorf der Altgläubigen Erzhey. Die Altgläubigen widersetzen sich den Reformen des Patriarchen Nikon, der 1652 die gottesdienstlichen Bücher und Riten der russisch-orthodoxen Kirche reformierte. Deshalb flohen viele in die entlegenen Regionen Russlands. Entlang des Oberlaufs des Jenissei gibt es viele kleine Dörfer der Altgläubigen, die immer noch versuchen, autark zu leben, weit weg von westlichen Einflüssen.

Julia tanzt fünf Stunden am Tag in der Ballett-Akademie in Krasnojarsk. Neben dem Ballettstunden werden auch gängige Schulfächer unterrichtet. Julia träumt davon, Ballerina zu werden.

Evgenij mit seiner Ratte Barclay in seiner Wohnung in Krasnojarsk. Nachdem er sich den Film Ratatouille angeschaut hatte, kaufte er sofort eine Ratte im Tiergeschäft. Nächstes Jahr wird er für fünf Monate in die USA ziehen, um Geld zu verdienen, damit er sich ein Auto leisten kann.

Ein altes Modellflugzeug. Einer der unzähligen Schätze, die Juri auf dem Müll findet, auf dem er lebt. Manchmal kommen Verwandte zu Besuch und holen Spielzeug für ihre Kinder ab.

Das Wasserkraftwerk Sajano-Schuschenskaja GES ist das größte Russlands und das neuntgrößte der Welt. Hier wird die Wasserkraft des Jenissei-Stroms genutzt. Die Anlage wurde gebaut, um die großen Aluminiumfabriken in Krasnojarsk mit Energie zu versorgen. Durch den Bau von zwei riesigen Dämmen entstanden Seen von fast 400 Kilometern Länge. Dörfer wichen dem Wasser, das Klima änderte sich.

Khuresh ist ein traditionelles Ringen und der Nationalsport der autonomen Republik Tuwa in Südsibirien. Kein Nationalfest wird ohne einen Khuresh-Kampf gefeiert. Die Menschen aus Tuwa erzählen sich Legenden über ihre Lieblingssportler und schreiben ihnen übernatürliche Fähigkeiten zu. Auf diesem Bild üben zwei junge Athleten Khuresh: Der Kämpfer, der zuerst den Boden mit einem Teil seines Körpers, außer seinen Füßen oder Händen, berührt, verliert.

"Ich habe zwei Heimaten. Mein erstes Zuhause ist der Wald und mein zweites die Bibliothek," sagt dieser Mann. Er besitzt ein kleines Grundstück im Wald, wo er selbst bei minus 50 Grad Celsius draußen schläft. Er schätzt die Schönheit der Natur und fühlt sich berufen, die große Taiga vor Menschen und chinesischen Unternehmen zu schützen. Dazu patrouilliert er täglich durch den Wald und studiert zum Schutz der Wälder umweltrechtliche Fragestellungen in der Bibliothek.

Ein traditionelles Pferderennen im Rahmen des Tuvinese National Festival Nadym in der Steppe - bei 43 Grad Celsius. Die Pferde und ihre Reiter legen eine Strecke von 30 Kilometern zurück. Sieben Pferde starben in der Hitze.

Es sind Sommerferien. Valentin verletzte sich beim Baden am Kopf. Auf seiner Hand sitzt eine lästige Bremse .

Ein weiteres Exemplar aus der Sammlung von Biologe Nikolai Putinzow. Er besitzt die größte Insekten- und Amphibien-Sammlung in der Region Tuva.

Die ehemalige Ballerina Sofia tanzt seit sechs Jahren in einem Striptease-Club. Aufgrund einer Fußverletzung konnte sie am Staatstheater Krasnojarsk nicht mehr tanzen. Sie beschreibt sich heute als aktive Soziopathin. Sie will nicht ewig an der Stange tanzen. Nächstes Jahr möchte sie sich an einer Theaterschule bewerben.

In Sibirien breiteten sich aufgrund des trockenen und zu warmen Winters in diesem Sommer viele Waldbrände aus. Sie sind in dem dicht bewaldeten Gebiet an der Tagesordnung. Dieser Wald brennt unweit der Stadt Minussinsk.

Juri vor seinem selbstgebauten Haus: "Ich bin ein einfacher Arbeiter. Nichts hält mich mehr in der Stadt. Alle meine Freunde sind auf dem Friedhof. Drogen oder Alkohol. Hier ist die Luft klar und nicht schmutzig von all dem Kohlenstaub. "

Der Biologe Nikolai Putinzow hat die größte Sammlung von Insekten und Amphibien in der Region Tuva. Die biologische Vielfalt und die Wasserqualität sind ernsthaft bedroht, da chinesische Unternehmen Gold in großen Mengen fördern, Quecksilber in den Jenissei leiten und Wälder roden, um die Rohstoffe nach China zu exportieren.

Vaselisa im Dorf der Altgläubigen. Ihre Eltern sind gehörlos und die einzigen Ungläubigen in einem Dorf, das streng nach jahrhundertealten Ritualen lebt. Vaselisas einziger Freund lebt im Dorf Sissim. Die Sommerferien über trennt der Strom Jenissei sie voneinander: "Sobald wir wieder zusammen sind, werden wir die ganze Zeit Händchen halten."

Am Sajano-Schuschensker Stausee befindet sich Russlands größtes Wasserkraftwerk, das das Klima in der Region nachhaltig veränderte: Es wurde feuchter und regnerischer.

Seit jeher suchen die Menschen Schutz und Freiheit in der Taiga und am Ufer des Jenissei, eines etwa 3.487 Kilometer langen Stroms in Sibirien. Erst 1607 erreichen die Russen von Westen her den Fluss, um nach wertvollem Fell zu jagen. Kriminelle, entflohene Leibeigene, Abtrünnige oder einfach Abenteurer schließen sich in wilden Reitergemeinschaften zusammen und lassen sich in der riesigen Taiga nieder. Das Leben der Siedler in Sibirien ist frei und selbstbestimmt für die Zeit. Altgläubige lassen sich an den unberührten Ufern des Jenissei nieder, um der Verfolgung durch den Zaren und später der Sowjets zu entgehen. Heute zieht es die meisten Menschen in Großstädte wie Moskau oder Sankt Petersburg. Der Jenissei verwandelt sich mehr und mehr in ein Mekka für Träumer und Einzelgänger, die der Welt entfliehen wollen. Einsamkeit, unerfüllte Träume und letzte Hoffnungen prägen die Menschen ebenso wie die weite Natur, die gleichzeitig Freiheit und Rückzugsorte schenkt.

Alltag
Einsamkeit
Mythos
Russland

Found in Research

Video Interview – LOBA 2019 finalist

Beitrag zusammengestellt von René Schröder

*1994 in Ulm, Deutschland
Nanna Heitmann studiert an der Hochschule Hannover Fotojournalismus und Dokumentarfotografie, lebt aber aktuell in Moskau. Ihre dokumentarischen Arbeiten wurden unter anderem in De Volkskrant, Stern, The Washington Post und TIME Magazine publiziert. Sie erhielt 2019 den Leica Oscar Barnack Newcomer Award und den Ian Parry Award of Achievement und wurde im selben Jahr Nominee der Agentur Magnum.

www.nannaheitmann.com
@nannaheitmann

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