N E W S L E T T E R

Tadas Kazakevičius
Soon to be Gone

Seit der Loslösung von der Sowjetunion 1990, vor allem aber seit dem Beitritt zur Europäischen Union 2004 ist Litauen zu einem Auswanderungsland geworden. In den vergangenen zehn Jahren ist die Bevölkerung dieses baltischen Staates um fast ein Sechstel geschrumpft. Aber auch innerhalb des Landes gibt es Migration: Städte locken junge Menschen aus den ländlichen Gebieten – ein Trend, der das Land unaufhaltsam verändert. Wie lange bleiben Gehöfte und Dörfer Orte, an denen es noch ein völlig anderes Verständnis von Zeit und Nähe gibt? Wie lange wird hier noch jeder Passant gegrüßt? Die Bilder fangen in einer subjektiven und nostalgischen Weise das tägliche Leben in den Dörfern Litauens ein, die langsam verschwinden. In seiner Arbeit lehnt sich Tadas Kazakevičius an die amerikanischen Fotograf*innen der Großen Depression wie Dorothea Lange und Walker Evans an. Auch sie versuchten, mit ihrer Fotografie die Erinnerung an Zeit und Dinge festzuhalten, deren Verschwinden absehbar war.

  • Alltag
  • Dorf
  • Heimat
  • Litauen
  • Migration
3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Ich glaube, es war, als ich zum ersten Mal mit meiner Mittelformatkamera jemanden fotografierte, den ich nicht kannte, und mich mit ihm unterhielt. In diesem Moment erkannte ich, dass das mein Weg sein könnte, Geschichten zu erzählen und meine eigene Stimme zu entwickeln. Man kann ein Thema frei auswählen und es von seinem eigenen Standpunkt aus analysieren. Wenn du Glück hast, überzeugst du jeden Menschen, den du fotografierst, auch deine Geschichte zu erzählen, aber durch deine Bilder. Das ist eine wirklich magische Erfahrung.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Das echte Konzept für „Soon to be Gone“ entstand erst viel später, nachdem ich bereits begonnen hatte, für das Projekt zu fotografieren. Schon als ich mit der Fotografie anfing, interessierte ich mich sehr für die amerikanische Dokumentarfotografie, besonders während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. Ich war erstaunt über die Kraft der Bilder, die Fotograf*innen im Auftrag der FSA von den Farmern gemacht hatten, und ich erkannte sofort, dass ich so etwas auch tun wollte. Später lernte ich, dass es in Litauen eine ähnliche Migration gibt, die ich dokumentieren wollte. Daraus entstand später die Serie „Soon to be Gone“.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Wichtige Dinge ändern sich nie. Die Form mag sich ändern, oder die Stimme, aber es geht immer um Menschen und ihre Lebensbedingungen. Ich nehme an, dass Fotografie ihre Formen ändern wird, aber wir werden uns immer nach starken Bildern sehnen – Bildern von Menschen, Dingen, Orten. Ich sehe sie wachsen wie einen Baum – der Stamm bleibt stehen, aber er wird viele Verzweigungen haben. Zumindest hoffe ich das. Ich liebe die Fotografie so, wie sie ist.

»Die besten Geschichten findet man immer abseits der Hauptstraßen.«

Tadas Kazakevičius

Der Fotograf Tadas Kazakevičius spricht über sein Projekt Soon to be Gone. (Interview: Eyad About Kasem)

Found in Research

Projektwebsite Soon to be Gone

Beitrag zusammengestellt von Eyad Abou Kasem

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1984 in Litauen
Tadas Kazakevičius kehrte nach mehreren Jahren in Großbritannien in seine litauische Heimat zurück, wo er seitdem als Dokumentar- und Porträtfotograf arbeitet. Er bevorzugt analoge Mittel- und Großformatkameras. Kazakevičius war Finalist beim LensCulture Emerging Talent 2018 sowie beim Leica Oskar Barnack Award 2019. 2020 gewann er den dritten Preis der World Press Photo Stories in der Kategorie „Portraits“.

www.tadaskazakevicius.com
@tadas.kazakevicius
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