N E W S L E T T E R

Wilko Meiborg
Songmachine

Singvögel spielen eine bedeutende Rolle im indonesischen Alltag. Der Legende nach verwandelte sich eines Tages Prinz Joko Mangu aus dem Reich der Sunda in eine Sperbertaube. Der Sultan von Majapahit, der letzten großen hinduistischen Thalassokratie, hörte den Gesang der Taube in seinem Garten und entschied, sie als Haustier zu halten. Eines Morgens verschwand Joko Mangu. Der Sultan begab sich persönlich auf die Suche, weil er den Vogel sehr vermisste. Er fand die Taube schließlich bei einem Mann namens Ki Ageng. Die beiden Männer entwickelten durch ihre Liebe zu dem Vogel eine tiefe Freundschaft. Als Dank für die Rückgabe des Vogels schenkte der Sultan Ki Ageng zwei mit Gold und Edelsteinen gefüllte Kürbisse. Seitdem sind Sperbertauben nicht mehr aus indonesischen Häusern – reichen wie armen – wegzudenken. In den letzten 60 Jahren kam es zu einem regelrechten Kult um alle denkbaren Singvögel. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Mythos des Vogels, dem menschlichen Blick darauf und der widersprüchlichen Beziehung zwischen Vogel-Enthusiast*innen und ihren Haustieren.

  • Gefängnis
  • Künstlichkeit
  • Mythos
  • Schönheit
  • Tiere

»A man needs a house, a wife, a horse, a kris* and a bird to live a fulfilled life.«

Javanisches Sprichwort, *Ein traditioneller Dolch, der für zeremonielle Zwecke verwendet wird.
3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Im Laufe meines Studiums der Fotografie hat sich herauskristallisiert, dass die Arbeiten, die mich am meisten beschäftigen, eine persönliche Perspektive auf ein gesellschaftliches und zeitrelevantes Thema darstellen. Fotoessays bieten im Gegensatz zu klassischen Reportagen die Möglichkeit, durch gezielte Eingriffe und Inszenierungen eine Botschaft oder Frage klarer zu definieren. Rob Hornstras und Arnold van Bruggens „Sochi Project“ war innerhalb dieses Findungsprozesses ein Impuls, der mich dazu angeregt hat, mich näher mit dem Bildjournalismus zu beschäftigen.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Auf der Suche nach Themen, durch die man Abläufe im Anthropozän illustrieren könnte, die den Menschen in ein Macht-/Ohnmachtsgefüge bringen, wurde ich auf die Kampagne „Silent Forest“ aufmerksam, die zwischen 2017 und 2019 von der EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) initiiert wurde. Das Ziel der Kampagne war es, Aufmerksamkeit für das Singvogelsterben in Südostasien zu generieren. Als eine Ursache für dieses Problem nennt die Kampagne Singvogelwettbewerbe. Die Liebe, die den Vögeln entgegengebracht wird, ist gleichzeitig ein Grund für ihr Verschwinden aus der freien Wildbahn und damit eine anschauliche Geschichte, um oben genannte Prozesse darzustellen.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Am spannendsten finde ich die Frage, wie Bilder im Journalismus zukünftig betrachtet werden. Die Funktion des Bildes als Beweis hat an Bedeutung verloren und das objektive Foto gibt es nicht. Dieser Umstand hat zur Folge, dass Autor*innen eine viel größere Verantwortung bei der Kontextualisierung ihres visuellen Materials tragen. Ein größerer Fokus darauf, unterschiedliche Perspektiven auf eine Thematik gegeneinander auszuspielen, könnte ein Umgang mit dieser Verantwortung sein.

Auszüge aus dem Index des Buches „Songmachine“ von Wilko Meiborg. © Wilko Meiborg 2020.

Found in Research

Videoanleitung für den Bau einer Vogelfalle. Das Tutorial wurde mehr als 26 Millionen Mal aufgerufen.

Die Kampagne „Silent Forest“ initiiert von EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) und TRAFFIC (Organisation zur Überwachung des Wildtierhandels), soll bedrohte asiatische Singvögel vor der Ausrottung bewahren.

Beitrag zusammengestellt von Martin Albermann

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1993 in Köln, Deutschland
Wilko Meiborg studiert an der Fachhochschule Dortmund Fotografie und setzt sich in seinen fotografischen Essays mit dem Einsatz und den Grenzen dokumentarischer Mittel auseinander. Er ist Mitglied der Künstlergruppe 4:1.

@wilkomeiborg

Weitere Fotoserien