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Sanne De Wilde erforscht das Medium Fotografie mithilfe von Themen, die mit der Rolle von Genetik, Identität und Wahrnehmung im Leben der Menschen zusammenhängen, Gemeinschaften formen und beeinflussen und Menschen in den Augen der Gesellschaft verletzlich machen. In ihrem mehrfach ausgezeichneten Fotobuch ‘The Island of the Colorblind‘ wird Sanne de Wildes konzeptionelle Herangehensweise eindrücklich sichtbar. Mit dem Blick auf das Phänomen der Farbenblindheit auf dem im Pazifischen Ozean gelegenen Inselatoll Pingelap, vermittelt sie eine geheimnisvoll und exotisch anmutende Welt. Ihre Bilder, für deren Entstehung sie unterschiedliche Verfahren mischt, erzählen vom Eintauchen in eine Gemeinschaft, die nach eigenen Gesetzen funktioniert. Dabei versucht Sanne de Wilde immer auch, ihre eigene Wahrnehmung zu hinterfragen und die Perspektive der Inselbewohner sichtbar zu machen. Das Thema „Equality“ (Gleichheit) oder vielmehr die „Ungleichheit“ durchzieht die Arbeiten der belgischen Fotografin Sanne de Wilde wie ein roter Faden. Sie reflektiert nicht nur das Medium Fotografie sondern untersucht in ihren Arbeiten die Rolle von Identität, Wahrnehmung und die Frage wie Genetik Gemeinschaften formt und beeinflusst. Zugleich gehört sie als professionelle Fotografin selber zu einer Minderheit. Die Bildredakteurin Miriam Zlobinski wird in dem Gespräch mit Sanne de Wilde versuchen Fragen zu ihrer Autorenschaft und ihren Arbeitsweisen für Reportagen, Bücher und Ausstellungen zu beantworten.
The Island of the Colorblind.
Ende des 18. Jahrhunderts fegte ein katastrophaler Taifun über Pingelap, ein winziges Atoll im Pazifischen Ozean. Einer der Überlebenden, der König, trug das seltene Achromatopsie-Gen, das vollständige Farbenblindheit verursacht. Der König hatte viele Kinder, und im Laufe der Zeit wirkte sich der erbliche Zustand auf die isolierte Gemeinschaft aus, und die meisten Insulaner begannen, die Welt in schwarz und weiß zu sehen. Achromatopsie ist gekennzeichnet durch extreme Lichtempfindlichkeit, schlechte Sicht und völlige Unfähigkeit, Farben zu unterscheiden. Die Darstellung der Insulaner, die von ihren Mitmenschen als „blind“ beschrieben werden, ergab eine konzeptuelle Auswahl von Bildern, die ihre Augen, ihr Gesicht oder ihre „Sicht“ verdecken und gleichzeitig die Betrachter einladen, in eine traumhafte Welt mit bunten Möglichkeiten einzudringen.
Jaynard (Achromatop) spielt im Garten mit dem Ast eines Bananenbaumes, der gefällt werden musste. Er trägt die Maske, die ich für ihn zu Halloween gemacht habe. Er liebte sie und behielt sie auch die darauffolgenden Tage auf.
Jaynard (Achromatop) spielt mit einer Discolicht-Taschenlampe, die ich aus Belgien mitgebracht habe. Ich fragte ihn, was er sah. Er antwortete „Farben“ und starrte immer wieder ins Licht.
Auf dem Rückweg von einem Picknick zu einer der unbewohnten kleinen Inseln rund um Pingelap mit den farbenblinden Pingelapesen und allen Kindern der einzigen Schule der Insel. Die Bucht ist jetzt geschützt; Insulaner dürfen nicht mehr nach Schildkröten fischen. Wegen der Infrarotfarben sieht die Szene sehr romantisch aus, gleichzeitig gibt es die visuelle Konnotation von Booten voller Flüchtlinge, die sich auf den Weg in eine bessere Zukunft machen.
Der Live Talk findet in englischer Sprache statt.
Der Live Talk wurde gehostet von VII Photo.
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Sanne De Wilde, geboren 1987 in Belgien, schloss 2012 mit einem Master und vielen Auszeichnungen die Akademie der Schönen Künste (KASK) in Gent ab. Ihre Fotoserie ‚The Dwarf Empire‘ wurde 2012 mit dem Photo Academy Award und 2013 mit dem International Photography Award Emergentes DST ausgezeichnet. Ihre Serie ‚Snow White‘ wurde mit dem 16ème Prix National Photographie Ouverte und dem NuWork Award for Photographic Excellence ausgezeichnet. 2014 und 2016 bekam sie den Nikon Press Award für die vielversprechendste junge Fotografin. Das British Journal of Photography wählte De Wilde 2014 als eines ‚der besten Nachwuchstalente aus aller Welt‘. 2016 bekam sie den Firecracker Grant, den Phmuseum Women’s Grant und den de Zilveren Camera Award für ‚The Island of the Colorblind‘. Ihr neuestes Projekt ‚Land of Ibeji‘, gemeinsam mit NOOR-Mitglied Bénédicte Kurzen, gewann den World Press Photo Award, den Rovinj Photo Award, den CAP Prize, den Prix Voies OFF und war nominiert für den ZEISS Photography Award 2019. Ihre Arbeiten wurden international veröffentlicht (Guardian, New Yorker, National Geographic, Le Monde, CNN, Vogue) und ausgestellt (Voies OFF, Tribeca Film Festival, Circulations, Lagos Photo, Lodz Fotofestiwal, Cortona On the Move, IDFA, STAM und EYE). Seit 2013 arbeitet De Wilde mit der niederländischen Zeitung De Volkskrant in Amsterdam zusammen und wurde 2017 Mitglied bei NOOR. Sanne De Wilde wird repräsentiert durch die East Wing Gallery (Doha, Katar).