N E W S L E T T E R

Felix Kleymann
Improving Reality

Seit Jahren steht Katar im Fokus der Weltpresse: Dem arabischen Emirat am Persischen Golf wird vorgeworfen, die Entscheidung über den Austragungsort der Fußballweltmeisterschaft 2022 erkauft zu haben und terroristische Organisationen zu unterstützen. Angedrohte Sanktionen des Gulf Cooperation Council bestärken das Land in seinem Bestreben, in kurzer Zeit unabhängig von Importen, vor allem aus Saudi-Arabien, zu werden. Die Agenda 2030 soll es unabhängig machen von seinen Gas- und Öleinnahmen. Das, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, reichste Land der Welt, investiert in das Gesundheitswesen, die Bildung sowie in europäische Unternehmen und Traditionsklubs wie Paris Saint-German. Der Fotograf Felix Kleymann bereiste das 11.000 Quadratkilometer kleine Emirat mit seinen 300.000 Einheimischen und zwei Millionen Gastarbeiter*innen. Er zeigt eine Welt zwischen Tradition und Gegenwart.

  • Architektur
  • Künstlichkeit
  • Oberfläche
  • Qatar
  • Skurril
3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Es ist natürlich nicht leicht, einen einzigen Moment aus den letzten acht Jahren als freischaffender Fotograf herauszusuchen und diesen zu beschreiben. Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir viele Situationen ein, die für mich sehr prägnant waren: Zum Beispiel haben die Arbeit in den Favelas von Rio de Janeiro für mein Diplom und die Reise vom Irak nach Deutschland mit Flüchtlingen, hauptsächlich aufgrund der Syrien-Krise, viele besondere, spannende und glückliche Erinnerungen produziert. Besonders amüsant sind meistens die Anekdoten, die ich von der Arbeit über die Porno-Industrie in den Vereinigten Staaten zu erzählen habe. Trotz allem würde ich den Moment hervorheben, als ich die Möglichkeit bekommen habe, mit einem Schlauchboot von der Türkei nach Lesbos in Griechenland überzusetzen. Für mich war es besonders aufregend und beängstigend, diese Überfahrt anzutreten. Für meine Arbeit war sie essenziell, um die Flucht authentisch nachzuvollziehen, und für die Medien war sie der große Aufhänger. Die Arbeit wird häufig auf diese Überfahrt reduziert, jedoch war es nie meine Absicht, diesen Schlagzeilenjournalismus zu bedienen.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Die Idee zu der Arbeit „Improving Reality“ kam mir, als die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der WM-Stadien in Katar zum ersten Mal in den Medien präsent waren. Bei meinen Vorbereitungen habe ich schnell bemerkt, wie vielseitig, spannend und kontrovers das Thema der Weltmeisterschaft in dem Land ist. Meine Arbeit ist kein Fingerzeig auf Missstände und Ungerechtigkeiten. Die Arbeit ist vielmehr eine Einladung an die Betrachter*innen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Wie weitreichend die Entscheidung der FIFA bezüglich eines WM-Austragungsortes sein kann, möchte ich mir nicht zumuten zu beantworten. Als Fotojournalist bin ich getrieben von dem Interesse, zu forschen, zu erkunden und eine Position zu vertreten.

Es war spannend, das Land mit seinen Ecken und Kanten zu erforschen und zu dokumentieren. Welche Rolle spielt Fußball in Katar? Wie wird die Entscheidung der FIFA das Land verändern? Wie kann sich ein Land innerhalb kürzester Zeit, in 60 Jahren, an die Spitze der reichsten Länder der Welt katapultieren? Zusätzliche Ereignisse, wie zum Beispiel die Blockade einiger Golfstaaten im Sommer 2017, hatten meine Neugier so weit gesteigert, dass ich im Winter 2017 den ersten Trip nach Katar organisiert habe.
Zusätzlich ist es thematisch ein Anschluss an meine Arbeit aus Rio de Janeiro, die sich mit den Vorbereitungen der Stadt auf die Fußballweltmeisterschaft 2014 beschäftigte.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Eine spannende Frage. Im Grunde denke ich, dass die Zukunft des visuellen Journalismus von Arbeiten leben kann, die unabhängig von Medienhäusern und anderen Instanzen produziert werden. Wo die Fotografin zur Autorin beziehungsweise der Fotograf zum Autor wird und ihre und seine eigene Geschichte erzählt. Ich finde es wichtig, dass man als Fotograf*in und Autor*in einen persönlichen Bezug zu seiner Arbeit hat oder entwickeln kann und den Themen die nötige Aufmerksamkeit zukommen lässt, die sie verdienen. Dass man Zeit hat, sich in diesen Arbeiten zu verlieren und einen umfassenderen Einblick in das zu bekommen, womit man sich beschäftigt. Meiner Meinung nach kann man solchen Arbeiten als Betrachter*in so viel mehr abgewinnen als Arbeiten, die unter Zeitdruck entstehen und möglicherweise nur als Argumentationsstützen für einen Text dienen. Ich wünsche mir, dass in Zukunft solche Arbeiten mehr Wertschätzung von den Medien, ob Print oder digital, erfahren und auch in der Presselandschaft ein diverseres Bild gezeichnet wird, als es momentan passiert.

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Felix Kleymann beantwortet eure Fragen: Bis zum 19.06. habt ihr die Chance Infos aus erster Hand zu seiner Arbeit Improving Reality zu bekommen. Wie das geht erfahrt ihr im Video.

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Found in Research

Open Table mit Felix Kleymann

Beitrag zusammengestellt von Anne Werner

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1984 in Recklinghausen, Deutschland
Felix Kleymann studierte bis 2013 Fotodesign an der Fachhochschule Dortmund. Seine Themen fotografiert er weltweit. So begleitete er fotografisch die gesamte Flucht einer Gruppe von Syrer*innen von der Türkei bis nach Deutschland, dokumentierte die Vorbereitungen auf die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien wie auch später in Katar und beschäftigte sich mit der US-amerikanischen Pornobranche.

www.felixkleymann.de
@felix.kleymann

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