Jeoffrey Guillemard | Lumix Festival für jungen Bildjournalismus

Jeoffrey Guillemard
Southern Border

Ein Geflüchteter geht entlang der Eisenbahn, die die Städte Arriaga und Chahuites verbindet. Auf dieser Route werden den meisten Migrant*innen ihre Rucksäcke und Schuhe gestohlen, aber auch bewaffnete Angriffe sind hier keine Seltenheit. Arriaga, Chiapas, Mexiko; 07. Februar 2017

Geflüchtete aus Mittelamerika waschen sich im Fluss. Sie laufen täglich etwa 30 Kilometer bei Temperaturen um die 40 Grad. San Pedro Tapanatepec, Oaxaca, Mexiko; 29. März 2018

Junge Migranten ruhen sich aus, nachdem sie etwa zehn Kilometer in den Hügeln zwischen den Bundesstaaten Chiapas und Oaxaca gelaufen sind. Arriaga, Chiapas, Mexiko; 7. Februar 2017

Norma (links), Gründerin von Las Patronas, gibt den Migrant*innen an Bord der „Bestia" etwas zu essen. Las Patronas ist eine kleine Gruppe von Frauen, die seit 1995 mittelamerikanische Migrant*innen mit Lebensmitteln unterstützen. Für einige Migrant*innen ist es ihre erste Mahlzeit seit mehreren Tagen. Amatlán de los Reyes, Veracruz, Mexiko; 17. März 2017

Zwei Migranten wachen nach der zweiten Nacht auf der "Bestia" auf. Es ist gefährlich und schwierig, hier zu schlafen. Einige verwenden ein Seil oder einen Gürtel, um nicht vom Güterzug zu fallen. San Manuel, Tabasco, Mexiko: 22. April 2017

Nach mehr als vier Stunden Fahrt klettern Geflüchtete von der „Bestia“. Matias Romero, Oaxaca, Mexiko; 1. April 2018

Geflüchtete aus der "Casa del migrante 72" zerlegen eine Kuh. Ein Bauer hat sie dem Migrantenheim gespendet. Tenosique, Tabasco, Mexiko; 10. März 2017

Paula und Luis sind wegen der allgegenwärtigen Gewalt aus Honduras und El Salvador geflüchtet. Nach ungefähr 100 Kilometern Fußmarsch sind sie gerade im Geflüchtetenheim in Mapastepec angekommen. Die Einwohner*innen dieser südmexikanischen Stadt sind sehr engagiert: Jeden Abend begrüßt eine andere Familie geflüchtete Menschen zum Abendessen. Hier beten Paula und Luis vor dem Essen. Mapastepec, Chiapas, Mexiko; 4. Februar 2018

Eine Karawane von mehr als 3.000 Migrant*innen aus Mittelamerika, Kuba und Afrika durchquert Mexiko in der Hoffnung, die USA zu erreichen. Einige Tage später wird die Karawane von den mexikanischen Behörden gewaltsam auseinandergetrieben. Die meisten Familien setzen ihren Weg durch die Felder fort. Mapastepec, Chiapas, Mexiko: 20. April 2019

Mehr als 1.500 Geflüchtete sind in Richtung der Stadt Niltepec unterwegs. San Pedro Tapanatepec, Oaxaca, Mexiko; 30. März 2018

Nach 20 Tagen Wartezeit auf einen Asylantrag in Mexiko verbringen zentralamerikanische Migranten einen Tag am Flussufer in der Nähe des mobilen Aufnahmezentrums. Zwei Stunden später werden sie von der mexikanischen Migrationspolizei festgenommen und in ihre Heimatländer abgeschoben. Mapastepec, Chiapas, Mexiko; 19. April 2019

Norma, die Gründerin von Las Patronas, bringt mit ihrem Auto einige Migranten zum Bus. Die Gruppe hat Angst, die Stadt zu Fuß zu durchqueren, weil sie von der Migrationspolizei überwacht wird. Nach mehr als drei Wochen gefährlicher Reise ist eine Abschiebung keine Option. Amatlán de los Reyes, Veracruz, Mexiko; 15. März 2017

Ein Mann schneidet seinem Freund in der katholischen Anlaufstelle für Migrant*innen die Haare. Diese Unterkunft leitet Pater Alejandro Solalinde, dessen Arbeit bereits Tausende von Geflüchteten rettete, aber auch der Grund für mehrere Morddrohungen war. Ixtepec, Oaxaca, Mexiko; 8. Februar 2017

Ein Mann nimmt seine saubere Wäsche ab, bevor er sich wieder auf den Weg macht. Ixtepec, Oaxaca, Mexiko; 31. März 2018

Ein Migrant aus Haiti isst nach seinem Tagesjob in Tijuana. Hier warten Tausende Haitianer auf die Bemühungen der US-Regierung, in dieser Grenzstadt Zuflucht für sie zu finden. Tijuana, Baja California, Mexiko; 9. Mai 2017

Geflüchtete aus Zentralamerika warten auf die Abfahrt des Zuges, um ihre Reise durch Mexiko in die USA fortzusetzen. Arriaga, Chiapas, Mexiko; 28. März 2018

Carlos, 21, fiel vom Zug, als er in Mexicali an der Grenze zu den USA ankam. Trotz seiner Behinderung ist er wieder unterwegs. Tenosique, Tabasco, Mexiko; 28. März 2017

Geflüchtete ruhen sich in einem Hilfszentrum aus, nachdem sie in zwei Tagen mehr als 50 Kilometer gelaufen sind. Chahuites, Oaxaca, Mexiko; 8. Februar 2017

David, ein 19-jähriger honduranischer Junge, schläft in einem Geflüchtetenzentrum nach einer zweiwöchigen Reise. Am nächsten Tag zieht er weiter. Bis zur nächsten Unterkunft muss er zwei Tage laufen. Arriaga, Chiapas, Mexiko; 6. Februar 2017

Die Gemeinde Ixtepec stellt für eine Karawane von mehr als 1.500 Migrant*innen Busse bereit, die sie in das etwa 70 Kilometer entfernte kleine Dorf Matias Romero bringen. Ixtepec, Oaxaca, Mexiko; 31. März 2018

Zwei Kinder spielen im Sand, direkt vor der Mauer, die Mexiko von den USA trennt. Diese Mauer in Tijuana wurde 1994 erbaut und macht die Grenzüberquerung für Migrant*innen noch gefährlicher. Tijuana, Baja California, Mexiko; 8. Mai 2017

Ankunft von Ingrids Leiche. Sie ist im Alter von 29 Jahren gestorben und wurde fünf Jahre nach ihrem Verschwinden in einem geheimen Grab an der Grenze zu den USA gefunden. Die Mitglieder der Organisation COFAMIPRO betreuen die Familie, wenn die Leiche eintrifft. Dieser Verein hilft Menschen bei der Suche nach ihren Angehörigen, die auf dem Weg nach Norden verschollen sind. San Pedro Sula, Honduras; 23. Januar 2019

Täglich versuchen Migrant*innen aus Mittelamerika, hauptsächlich aus Guatemala, Honduras und El Salvador, in die USA zu gelangen und so Gewalt, Arbeitslosigkeit und Korruption in ihren Ländern zu entfliehen. Für diese Menschen beginnt die Grenze des amerikanischen Traums bereits im Süden Mexikos. Dort angekommen, sind die Geflüchteten tagelang zu Fuß unterwegs, um Arriaga zu erreichen – die erste Stadt im Südwesten, in der sie auf den Güterzug nach Norden klettern können, den Zug, der nicht umsonst „la bestia“ (dt.: „die Bestie“) genannt wird. Niemand weiß, wann „la bestia“ kommt. Wenn man ihr Pfeifen hört, muss alles sehr schnell gehen. Niemand weiß, ob der Zug anhält oder mit voller Geschwindigkeit vorbeirauscht. Niemand weiß, ob man auf oder unter dem Zug landet. Aber auch auf dem Zugdach bleiben erschöpfte Migrant*innen willkommene Opfer: Sie werden ausgeraubt, vergewaltigt, als Drogenkuriere missbraucht oder getötet. Geoffrey Guillemard startete dieses Fotoprojekt 2017 – an dem Tag, an dem Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde.

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Auf der interaktiven Karte wird Jeoffrey Guillemards Weg durch die Verortung der Fotos und seine Erzählungen veranschaulicht.

»Ich denke, die Grenzen sollten eher offen sein als zu.«
Jeoffrey Guillemard

3 Fragen

1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Am 19. September 2017 wurde Mexico City um 14.15 Uhr von einem Erdbeben der Stärke 7,1 auf der Richterskala erschüttert. Ich aß gerade Tacos mit einem Freund. Meine Kamera hatte ich bei mir, also nahm ich ein Taxi in die Innenstadt, um die Geschehnisse zu dokumentieren. An dem Tag wurden mehr als 300 Menschen unter den Trümmern ihrer Häuser begraben. Ich arbeitete unermüdlich, hinterfragte meine ethischen Grundsätze und wie weit ich ohne Auftrag gehen durfte, ohne sicher zu sein, die Fotos jemals verkaufen zu können. Ich kam spät nach Hause, editierte die Fotos und schickte sie an die französischen Zeitungen. Ein paar Redaktionen wählten einige meiner Fotos aus, um die entsprechenden Artikel zu bebildern. Ich schwankte zwischen der Angst vor einem Nachbeben und der Freude, meiner Arbeit als Fotojournalist nachgegangen zu sein, zu dokumentieren und zu veröffentlichen. Ich hatte das Gefühl, das Richtige getan zu haben, indem ich die Menschen bei der Suche nach Überlebenden fotografierte. Am nächsten Tag streikten die Zeitungszusteller in Frankreich, und es erschienen keine Zeitungen. Das war hart, aber ich wusste, es war meine Aufgabe zu fotografieren, was passiert.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Im Januar 2017 begann ich mit meiner „Southern Border“-Geschichte, einige Monate nachdem Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden war. Während seines Wahlkampfs sprach Trump nur über die Mexikaner*innen und wie eine „große“ Mauer die illegale Einwanderung aus dem Nachbarstaat verhindern könnte. Ich wollte mehr erfahren und fand heraus, dass nicht nur Mexikaner*innen versuchten, der Gewalt im eigenen Land zu entfliehen. Also begann ich die Migrant*innen aus Honduras, El Salvador, Guatemala, Kuba, Haiti und all die anderen Menschen zu dokumentieren, die Gefahren auf sich nehmen, um über Mexiko in die USA zu gelangen. Diese Arbeit wird bis zum Ende von Trumps Präsidentschaft fortgesetzt.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Ich denke, dass der langsame Fotojournalismus in der Zukunft kreativer werden und aus der Krise herauskommen muss, um seinen wahren Wert wiederzuerlangen.

Beitrag zusammengestellt von Anne Speltz

*1986 in Nancy, Frankreich
Jeoffrey Guillemard arbeitet seit 2006 in ganz Amerika, vor allem in Mexiko, wo er aktuell lebt. Auf eine Zeit als Autodidakt folgte 2014 die fotojournalistische Ausbildung am EMI-CFD in Paris. Er dokumentiert vor allem aktuelle soziale Bewegungen, Migration, Sexualität und religiöse Praktiken. Er gewann 2019 den ersten Preis in der Kategorie Migration bei Picture of the Year LatAm. Seine Bilder wurden unter anderem in The Washington Post, Le Monde und Libération veröffentlicht.

www.jeoffreyguillemard.fr
@jeoffreyguillemard

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