N E W S L E T T E R

Maximilian Mann
Fading Flamingos

Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit ereignet sich rund um den Urmiasee im Nordwesten des Irans eine Umweltkatastrophe. Wo vor zehn Jahren das Wasser noch bis zu den Mauern der Dörfer reichte, findet man heute eine schier endlose Wüste. Schiffe, die einst Menschen von einer Seite des Sees zur anderen brachten, liegen jetzt wie gestrandete Wale am Ufer und verfallen. Salzwinde aus der Wüste breiten sich immer weiter über die Felder aus, sodass die Ernten vertrocknen. Die Dorfbewohner*innen sind ihrer Existenzgrundlage beraubt und fliehen in die umliegenden Städte – die Dörfer rund um den See sterben aus. Der Urmiasee war der zweitgrößte Salzsee der Welt, doch innerhalb weniger Jahre ist die Fläche des Sees um 80 Prozent geschrumpft. Dafür sind sowohl der Klimawandel als auch der enorm hohe Wasserverbrauch im Agrarsektor verantwortlich. Der Schaden für Landwirtschaft und Tourismus wird schon jetzt auf mehrere Hundert Milliarden Euro geschätzt; bis zu fünf Millionen Menschen sind von einer Umsiedlung bedroht.

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3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen entscheidenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Der wichtigste Moment war sicherlich der Beginn meines Studiums. Es war der Startschuss für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit vielen Bereichen in der Fotografie. Und ich habe dadurch viele inspirierende Menschen kennenlernen dürfen, die mich fotografisch und menschlich sehr weitergebracht haben. Vor allem die Gründung des DOCKS Collective 2018 und das damit einhergehende gegenseitige Motivieren, aber auch das Diskutieren und Streiten über Fotografie waren und sind enorm wichtig.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Meiner Meinung nach ist das Thema Umwelt das zentrale Thema meiner Generation und war für mich schon immer wichtig. Im Frühjahr 2018 bin ich durch Recherchen auf den Urmiasee und die Katastrophe dort gestoßen. Ich war verwundert, dass ich noch nie etwas davon gehört hatte. Denn immerhin war der See einer der größten Salzseen unserer Erde. Ich wollte mehr darüber erfahren und bin im September 2018 zum ersten Mal in den Iran gereist. So eine Umweltkatastrophe wie das Austrocknen eines Sees ist ein globales, menschengemachtes Problem. Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, dass viele Fotograf*innen – lokale und internationale – darüber berichten.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Es wird mehr fotografiert als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass der Fotojournalismus mehr denn je gebraucht wird. Wir brauchen Autor*innen, die ihre Sicht auf ihre Umgebung zeigen, damit wir alle die kleinen und großen Veränderungen in der Welt besser verstehen können. Und das wird in Zukunft immer weniger nur über klassische Magazinpublikationen passieren. Da müssen gerade wir jungen Fotograf*innen neue Formen für Geschichten finden und eine Chance darin sehen. Und Möglichkeiten gibt es viele: soziale Medien, Multimedia, virtuelle Realität und vieles mehr.

1) Was unterscheidet deine Herangehensweise von den, Fotograf*innen, die sich mit dieser Problematik ebenfalls auseinandergesetzt haben?

2) Was hat sich deiner Meinung nach in der Region nach der Veröffentlichung deiner Arbeit und den Arbeiten anderer Kolleg*innen diesbezüglich verändert?

3) Womit musstest du persönlich hadern, als du in der Region warst?

Beitrag zusammengestellt von Daniel Rodríguez

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1992 in Kassel, Deutschland
Maximilian Mann studiert Fotografie an der Fachhochschule Dortmund und ist Mitglied des DOCKS Collective. In seinen dokumentarischen Arbeiten setzt er sich mit Umweltthemen und sozial benachteiligten Gruppen auseinander. Für seine Arbeit über den iranischen Urmiasee wurde er 2019 mit dem Felix Schoeller Photo Award für die beste Nachwuchsarbeit ausgezeichnet, erhielt das BFF-Stipendium sowie 2020 ein Sti­pen­dium der VG Bild-Kunst. Er gewann in diesem Jahr den zweiten Preis der World Press Photo Stories in der Kategorie „Environment“.

www.maximilian-mann.com
@maximilian_mann

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