Fotoserien
Nicole Tung As Strong as the War, As Soft as the Peace
Zivilist*innen transportieren Autos, Ernten und andere Güter in Raqqa über den Euphrat. Viele der Brücken, die den nördlichen und südlichen Teil der Stadt verbunden hatten, sind bei Luftangriffen zerstört worden. Acht Monate nach der Befreiung von Raqqa kehren Zivilist*innen zurück, um ihr Leben und ihre Häuser wieder aufzubauen. Rechtzeitig zum Ramadan sollen auch die Geschäfte wieder öffnen.
Zivilist*innen in den Straßen der Stadt Haijin in der Provinz Deir ez-Zor, die vom IS lange gehalten wurde. Die Menschen haben nach der Befreiung begonnen, in ihre Häuser zurückzukehren, obwohl weiterhin Gefahr durch Blindgänger und IS-Schläfer droht.
Der 27-jährige Osama Abdulmonem in seinem Brautmodengeschäft in Mossul, das auch unter dem IS-Regime geöffnet war. Allerdings musste er gebrauchte Kleider verkaufen, weil er keine Stoffe aus der Türkei importieren konnte. „Das Geschäft lief gut, aber wir haben für die IS-Männer gearbeitet, einige hatten vier Frauen“, sagt Abdelmonem. Hätte er es nicht getan, wäre er eingesperrt worden.
Eine Familie transportiert Gegenstände, die sie aus ihrem Haus in Mossul retten konnte. Viele Menschen wollen unbedingt nach Hause zurückkehren und ihr Leben wieder aufbauen. Noch vor Monaten fanden hier in der Altstadt die schwersten Kämpfe statt, überall in den Straßen liegen immer noch verwesende Leichen von IS-Kämpfern.
Ein Flüchtlingskonvoi aus Mossul bei einer Kontrolle. Irakische Sicherheitskräfte versuchen bei den Überprüfungen, mittels Fahndungslisten IS-Kämpfer oder Verbindungsleute aufzuspüren. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben das Vorgehen bei den Kontrollen scharf kritisiert, weil es unter anderem zu Racheakten, Folter und Hinrichtungen von Sunnit*innen gekommen sein soll.
Frauen, möglicherweise Anhängerinnen des Islamischen Staates, an einem Kontrollpunkt in der Nähe von Baghuz. Die Demokratischen Kräfte Syriens (DKS) haben mit Unterstützung der von den USA geführten Allianz eine einwöchige Offensive gestartet, um die letzten Mitglieder des IS aus Baghuz zu vertreiben, der nur noch ein rund zwei Quadratkilometer großes Gebiet nahe der syrischen Grenze zum Irak kontrolliert.
Mitglieder des Zivilschutzes von Mossul suchen Leichen von Zivilist*innen in der Altstadt. Mindestens sechs Menschen, darunter drei Kinder, wurden bei einem Luftangriff getötet. Dutzende Leichen werden noch unter den Trümmern vermutet. Während Zivilist*innen geborgen und von ihren Familien begraben werden, lässt der Zivilschutz IS-Kämpfer liegen.
Mitglieder des Zivilschutzes von Raqqa beten vor Säcken mit Leichen, die sie aus einem Massengrab geborgen haben. Die Menschen sind vermutlich bei Luftangriffen ums Leben gekommen. Jetzt sollen sie auf einem Friedhof am Stadtrand beigesetzt werden.
Trümmer des zerstörten Nabi-Yunus-Schreins, auch „Jonas Grab“ genannt, in Mossul. Der Schrein, eine der heiligsten Stätten der Moslawis, wurde vom IS gesprengt.
Unterricht an der schwer beschädigten Hawari-Bu-Medyan-Schule in Raqqa im Mai 2018. Gegenüber war die Hisba, die Religionspolizei des IS, untergebracht. Es war einer der umkämpftesten Orte bei der Rückeroberung der Stadt. Die Schule wurde im Januar 2018 wiedereröffnet, nachdem die Gebäude von Blindgängern geräumt worden waren.
Kinder spielen unter einer riesigen Rauchwolke auf den Trümmern eines ehemaligen Stadions in Qayyarah im Irak. Das Stadion, das dem IS als Waffenlager diente, wurde durch Luftangriffe der Allianz zerstört, bei ihrem Rückzug steckten die IS-Kämpfer Ölquellen in Brand.
Schulkinder am 6. November 2017 im Westen von Mossul. Seit die irakische Stadt vor vier Monaten für befreit erklärt wurde, wurden einige Schulen in der Stadt wieder geöffnet.
Beschädigte Gebäude im syrischen Raqqa im Mai 2018. Nach der Befreiung vom Islamischen Staat kehren die Bewohner*innen zurück, um neu anzufangen und ihre Häuser wieder aufzubauen.
Khaled Mohamed und seine Braut vor ihrer Hochzeitsfeier im November 2017 in Mossul. Auch Khaleds Bruder Hashem heiratet an diesem Tag im Kreise der Familie und der Nachbarn. Vor der Feier hat der Vater der Brüder die Gäste gebeten, nicht zu laut zu feiern – aus Respekt gegenüber den Menschen in Mossul, die tote Angehörige betrauern.
Ein neu eröffnetes Café im zerstörten Raqqa. Der Naim-Platz war ein Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, bevor er zum Schauplatz öffentlicher Hinrichtungen und Symbol für die Brutalität des IS wurde.
Eine Soldatin kämmt sich die Haare. Ihr Bataillon der „Sun Ladies“ besteht aus mehreren Hundert jesidischen Frauen, von denen einige früher vom IS versklavt wurden. Nun ziehen sie mit Unterstützung der kurdischen Peschmerga gegen die Extremisten in den Kampf.
Ein Junge in der Trümmerlandschaft von Qayyarah. Rund um die irakische Stadt brennen Ölquellen.
Bauarbeiter räumen am 9. Mai 2018 Trümmer aus einem zerstörten Gebäude im syrischen Raqqa. Geschätzte 80 Prozent der Infrastruktur wurden während der Rückeroberung der Stadt aus der Gewalt des IS zerstört oder beschädigt. Tausende Menschen starben bei Luftangriffen der internationalen Allianz, nachdem der IS während der Besetzung von 2014 bis 2017 schon viele Zivilist*innen hingerichtet hatte.
Hamam al-Alil zwei Tage nachdem die irakischen Streitkräfte die Stadt vom IS befreit hatten. Viele Menschen sind in ihre Häuser zurückgekehrt, obwohl in Hamam al-Alil immer noch sporadisch Kämpfe zwischen IS-Rekruten und irakischen Streitkräften aufflammen.
Männer versuchen, Leitungen zu reparieren, um die irakische Stadt Qayyarah wieder mit Strom zu versorgen. Viele Straßen und Viertel in Qayyarah sehen apokalyptisch aus. Ölreste bedecken fast alles: Häuser, Autos usw. Die IS-Kämpfer steckten Dutzende Ölquellen in Brand, als sie während der Schlacht um Mossul zurückgedrängt wurden. Mit dem Öl aus Qayyarah finanzierte der IS sein Regime.
Männer sitzen in einem Teehaus in Mossul, rauchen und spielen Domino. Das Teehaus blieb während der IS-Herrschaft geöffnet, aber Brettspiele oder Unterhaltungsveranstaltungen waren verboten – wie auch das Rauchen von Shishas und Zigaretten.
Ein Kämpfer der Demokratischen Kräfte Syriens in der zerstörten Stadt Al-Susah. Mit Unterstützung der von den USA geführten Allianz wurden nach der Befreiung in einer wochenlangen konzertierten Operation die letzten IS-Kämpfer in der Stadt aufgespürt und vertrieben.
Wie sieht der Übergang zwischen dem Ende eines Konflikts und der Rückkehr zum „normalen“ Leben aus? Diese Bilder sind Teil eines laufenden Projekts über die Folgen der Kriege gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak und in Syrien, die die dortige Gesellschaft nachhaltig veränderten. Größere Gebiete in den beiden Ländern gehörten von 2014 bis 2019 zum sogenannten Kalifat des IS, bis dieser in der Schlacht von Baghuz endgültig verdrängt wurde. Tausende zivile Opfer waren der Preis dafür. Sie starben, wurden vertrieben oder verbannt. Die Überlebenden tragen nun die Hauptlast und versuchen, ihr Land wieder aufzubauen, denn viele Städte und Gemeinden ähneln auch Monate nach ihrer Befreiung einer Mondlandschaft. Aber die Geschäfte öffnen wieder, der Alltag kehrt langsam zurück. Trotz der scheinbaren Normalität bleibt der Missmut derer, die alles verloren haben und weitermachen müssen. Wenn der Wiederaufbau nicht schnell vorangeht, wenn die Menschen keine Arbeit oder kein Dach über dem Kopf haben, entsteht ein perfekter Nährboden für neue Konflikte.
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*1986 in Hongkong
Nach ihrem Doppelabschluss in Journalismus und Geschichte begann Nicole Tung 2009 als freie Fotojournalistin für internationale Medien und NGOs in den Konfliktgebieten des Nahen Ostens zu arbeiten. Sie beschäftigt sich mit Kriegsfolgen wie Migration und posttraumatischem Stress unter Veteranen sowie Menschen- und speziell Frauenrechten. Für ihre Konfliktberichterstattung erhielt sie 2018 den James Foley Award sowie eine lobende Erwähnung beim Anja Niedringhaus Award.
