N E W S L E T T E R

Jeoffrey Guillemard
Southern Border

Täglich versuchen Migrant*innen aus Mittelamerika, hauptsächlich aus Guatemala, Honduras und El Salvador, in die USA zu gelangen und so Gewalt, Arbeitslosigkeit und Korruption in ihren Ländern zu entfliehen. Für diese Menschen beginnt die Grenze des amerikanischen Traums bereits im Süden Mexikos. Dort angekommen, sind die Geflüchteten tagelang zu Fuß unterwegs, um Arriaga zu erreichen – die erste Stadt im Südwesten, in der sie auf den Güterzug nach Norden klettern können, den Zug, der nicht umsonst „la bestia“ (dt.: „die Bestie“) genannt wird. Niemand weiß, wann „la bestia“ kommt. Wenn man ihr Pfeifen hört, muss alles sehr schnell gehen. Niemand weiß, ob der Zug anhält oder mit voller Geschwindigkeit vorbeirauscht. Niemand weiß, ob man auf oder unter dem Zug landet. Aber auch auf dem Zugdach bleiben erschöpfte Migrant*innen willkommene Opfer: Sie werden ausgeraubt, vergewaltigt, als Drogenkuriere missbraucht oder getötet. Geoffrey Guillemard startete dieses Fotoprojekt 2017 – an dem Tag, an dem Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde.

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Auf der interaktiven Karte wird Jeoffrey Guillemards Weg durch die Verortung der Fotos und seine Erzählungen veranschaulicht.

»Ich denke, die Grenzen sollten eher offen sein als zu.«

Jeoffrey Guillemard
3 Fragen
1. Der Türöffner: Kannst du einen prägenden Moment in deiner Karriere als Bildjournalist beschreiben?

Am 19. September 2017 wurde Mexico City um 14.15 Uhr von einem Erdbeben der Stärke 7,1 auf der Richterskala erschüttert. Ich aß gerade Tacos mit einem Freund. Meine Kamera hatte ich bei mir, also nahm ich ein Taxi in die Innenstadt, um die Geschehnisse zu dokumentieren. An dem Tag wurden mehr als 300 Menschen unter den Trümmern ihrer Häuser begraben. Ich arbeitete unermüdlich, hinterfragte meine ethischen Grundsätze und wie weit ich ohne Auftrag gehen durfte, ohne sicher zu sein, die Fotos jemals verkaufen zu können. Ich kam spät nach Hause, editierte die Fotos und schickte sie an die französischen Zeitungen. Ein paar Redaktionen wählten einige meiner Fotos aus, um die entsprechenden Artikel zu bebildern. Ich schwankte zwischen der Angst vor einem Nachbeben und der Freude, meiner Arbeit als Fotojournalist nachgegangen zu sein, zu dokumentieren und zu veröffentlichen. Ich hatte das Gefühl, das Richtige getan zu haben, indem ich die Menschen bei der Suche nach Überlebenden fotografierte. Am nächsten Tag streikten die Zeitungszusteller in Frankreich, und es erschienen keine Zeitungen. Das war hart, aber ich wusste, es war meine Aufgabe zu fotografieren, was passiert.

2. Der entscheidende Moment: Wann ist dir dein Thema das erste Mal begegnet und wieso hast du dich dazu entschieden, es fotografisch zu bearbeiten?

Im Januar 2017 begann ich mit meiner „Southern Border“-Geschichte, einige Monate nachdem Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden war. Während seines Wahlkampfs sprach Trump nur über die Mexikaner*innen und wie eine „große“ Mauer die illegale Einwanderung aus dem Nachbarstaat verhindern könnte. Ich wollte mehr erfahren und fand heraus, dass nicht nur Mexikaner*innen versuchten, der Gewalt im eigenen Land zu entfliehen. Also begann ich die Migrant*innen aus Honduras, El Salvador, Guatemala, Kuba, Haiti und all die anderen Menschen zu dokumentieren, die Gefahren auf sich nehmen, um über Mexiko in die USA zu gelangen. Diese Arbeit wird bis zum Ende von Trumps Präsidentschaft fortgesetzt.

3. Die Zukunft: Wie kann der visuelle Journalismus der Zukunft aussehen?

Ich denke, dass der langsame Fotojournalismus in der Zukunft kreativer werden und aus der Krise herauskommen muss, um seinen wahren Wert wiederzuerlangen.

Beitrag zusammengestellt von Anne Speltz

© für alle Fotos die Fotografinnen und Fotografen
© für alle Videos Lumix Festival Hannover, wenn nicht anders angegeben.

*1986 in Nancy, Frankreich
Jeoffrey Guillemard arbeitet seit 2006 in ganz Amerika, vor allem in Mexiko, wo er aktuell lebt. Auf eine Zeit als Autodidakt folgte 2014 die fotojournalistische Ausbildung am EMI-CFD in Paris. Er dokumentiert vor allem aktuelle soziale Bewegungen, Migration, Sexualität und religiöse Praktiken. Er gewann 2019 den ersten Preis in der Kategorie Migration bei Picture of the Year LatAm. Seine Bilder wurden unter anderem in The Washington Post, Le Monde und Libération veröffentlicht.

www.jeoffreyguillemard.fr
@jeoffreyguillemard

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