Die im Grenzbereich zwischen Fotografie und Film entstandenen Projekte bilden unter den Digital-Stories eine Nische. Sie zeichnen sich einerseits durch den Einsatz von stehenden Bildern in einem Video aus. Michele Spataris «Rising Water» ist ein Beispiel für die Kraft, die dieses hybride Format entfalten kann. Anhand von öffentlichen Bädern, die für Obdachlose in Turin oft die einzige Möglichkeit sind, sich zu waschen, erzählt uns der Fotograf die Geschichten von Betroffenen.
Andererseits zeigen wir in unserer Auswahl auch «reine» Filme, dessen Aufnahmen aufgrund ihrer Ästhethik – geringe Schärfentiefe, reduzierte Farben, unaufdringliche Kameraperspektiven – an Reportagefotografien erinnern. Zu sehen ist diese Herangehensweise bei Sarah Hoffmans The Rising. Die Autorin hat in Missouri und Aarhus Fotojournalismus studiert und arbeitet heute vorwiegend als Videoproduzentin. Ihre 25-minütige Dokumentation handelt von der bevorstehenden Umsiedlung eines indigenen Dorfes im US-Bundesstaat Washington, deren Bewohner durch den Anstieg des Meeresspiegels einem erhöhten Tsunami-Risiko ausgesetzt sind.
Was Spataris und Hoffmans Arbeiten verbindet, ist der fotografische Blick, mit dem sie aufgenommen wurden. Die Autor*innen schaffen dadurch ein entschleunigtes Erzählen. Ihre Bilder prägen sich aufgrund der visuellen Qualität vermutlich deutlicher ein als jene klassischer TV-Dokumentationen.
Einen außergewöhnlichen Weg schlägt Etinosa Yvonne mit ihrer Arbeit «It’s All in My Head» ein. Darin untersucht sie die Mechanismen, mit denen Überlebende des Terrorismus und gewaltsamer Konflikte in Nigeria ihre Traumata bewältigen. In die Köpfe ihrer Protagonisten montiert die Fotografin Videos – sinnbildlich für die Erinnerungen, die Betroffene nicht mehr loswerden. Porträtfotos und Videos verschmelzen so zu einer multimedialen Einheit, die trotz des schweren Themas von einer spielerischen Experimentierfreudigkeit zeugen.